Refill Aufkleber. Urheber der Bilder: Refill Deutschland

Refill – kostenlos Leitungswasser auffüllen

Auswärts unterwegs und nichts zum Trinken dabei? Viele würden sich bei der nächsten Gelegenheit ein neues Getränk kaufen. Es geht aber noch einfacher: im Laden – egal ob Bekleidungsgeschäft, Friseur oder Café – nach Leitungswasser fragen. Refill Deutschland animiert dazu und macht teilnehmende Geschäfte mit blauen Aufklebern kenntlich.

Dank der Initiative, die im englischen Bristol ihren Anfang nahm, bieten immer mehr Läden das kostenfreie Auffüllen einer mitgebrachten Wasserflasche an. Stephanie Wiermann hat Refill nach Deutschland geholt. Wir haben sie nach Beweggründen, Herausforderungen und Tipps für weniger Plastik im Alltag gefragt.

Interview mit Stephanie Wiermann

Vielen Dank für Ihre Zeit Frau Wiermann. Schildern Sie doch bitte zunächst einmal, welche Botschaft Sie mit Refill Deutschland vermitteln wollen.

Uns geht es darum, den Kauf von Plastikflaschen zu verhindern, wenn man unterwegs ist und Durst bekommt. Alleine in Deutschland werden derzeit zwei Millionen Plastikflaschen pro Stunde verkauft – horrende Zahlen also! Mit Refill ist da eine Möglichkeit: Ihr müsst keine neue Wasserflasche kaufen, bringt eure eigene mit und ihr bekommt sie aufgefüllt! Das ist ein toller Ansatzpunkt, um ganz, ganz viel Plastik einzusparen.

Nun gibt es das Konzept in der englischen Stadt Bristol schon seit 2015. Was hat Sie 2017 dazu bewegt, Refill auch in Deutschland zu gründen?

Ich lebe seit einigen Jahren plastikfrei und versuche im Allgemeinen, weniger Müll zu produzieren. Ich habe mich intensiv mit unserem Müll beschäftigt – wo er landet, wie er unserer Umwelt schadet und wie wir damit die Zukunft der nächsten Generationen verbrauchen. Aber die Umweltzerstörung ist nur das eine Thema, gesundheitliche Probleme sind das andere. Aus Plastik können nämlich gesundheitsschädliche Stoffe austreten.

Stephanie Wiermann. Gründerin von Refill Deutschland

Refill Deutschland Gründerin Stephanie Wiermann (Urheber des Bilds: Refill Deutschland)

Ich blogge auch zu diesem Thema und während ich auf Twitter für einen Blogartikel recherchierte, bin ich eines Tages auf Refill Bristol gestoßen. Als Grafikerin und Webdesignerin dachte ich mir, dass ich Refill relativ simpel in meine Heimat Hamburg bringen kann und habe einfach angefangen.

Ich entwickelte ein Logo, eine Webseite und suchte mir einen Sponsor (Hamburg Wasser) für die Aufkleber. Das Logo und den Aufkleber habe ich unter Creative Commons gesetzt, sodass andere Städte das unter bestimmten Bedingungen adaptieren können. Das Ganze ging sofort durch die Medien, die Resonanz war sehr groß und tatsächlich wollten andere Städte sich anschließen.

Refill Deutschland als ehrenamtliches Mammutprojekt

Die Handwerkskammer Hamburg zeichnete Refill Hamburg noch im gleichen Jahr mit dem 18. SIGNAL IDUNA Umwelt- und Gesundheitspreis aus. Wurde das Projekt durch die mediale Aufmerksamkeit zu einer Art Selbstläufer oder wie kam es zu der deutschlandweiten Bewegung?

Ja, genau. Durch die mediale Aufmerksamkeit und die wachsende Anzahl von Refill-Städten, in denen das Projekt dann auch nochmal in den Lokalmedien war, sind immer mehr Einzelpersonen aus den verschiedenen Städten auf mich zugekommen, die das Projekt in ihrer Stadt voranbringen wollten. Mitte Juli habe ich mir dann überlegt, die Initiative auszuweiten und so ist die ganze Bewegung schließlich deutschlandweit geworden.

Mittlerweile gibt es über 50 Refill-Städte in Deutschland. Welche dieser Städte ist Ihnen wegen besonders positiver Resonanz oder großem Engagement in Erinnerung geblieben?

Ganz toll finde ich Greifswald, das nur ein paar Studentinnen zu einer Refill-Stadt gemacht haben. Sie zeigen viel Engagement, sind u.a. zu einer Jugendkonferenz gefahren und haben das Projekt dort vorgestellt. Es gibt beispielsweise auch Städte, die Projekte mit Schulen zusammen machen. So haben alle Städte etwas Besonderes, weil sie ja auch immer von den Menschen geprägt werden, die Refill dort organisieren.

Refill Station Pirna

Pirna ist in diesem Jahr auch zur Refill-Stadt geworden (Urheber des Bilds: Refill Pirna).

Es ist  nur Geschäften mit Öffnungszeiten erlaubt, an dem Projekt teilzunehmen. Warum sind Privatpersonen ausgeschlossen?

Grund dafür waren die Rückmeldungen von Eltern, die wollten, dass sich ihre Kinder Wasser holen können, wenn sie unterwegs sind. Das zog gewisse Sicherheitsbedenken nach sich, sodass die Eltern gesagt haben, es wäre ihnen lieber, wenn Refill von keiner Privatperson angeboten werden würde.

Welchen Herausforderungen muss man sich stellen, wenn man ein solches Projekt aufziehen möchte? Gab es auch negative Reaktionen zu Refill?

Eigentlich nicht. Die persönliche Herausforderung für mich ist die viele ehrenamtliche Arbeit.  Mit inzwischen 60 Mitarbeitern ist Refill mit einem deutschlandweiten Unternehmen vergleichbar und dieses ehrenamtlich zu führen, ist sehr schwierig. Die Resonanz ist so groß, dass wir kaum hinterher kommen. Aber sie ist so positiv: Wir kennen es ja auch von anderen europäischen Ländern, dass man dort überall Wasser bekommt. Daher freuen sich die Menschen, dass das jetzt auch endlich nach Deutschland hinüber geschwappt ist.

Leitungswasser – für alle ein wertvolles Gut

Trotz der positiven Resonanz nehmen manche Leute die Stationen nicht in Anspruch. Könnte die Angst vor fremden Leitungen ein Grund dafür sein und wie könnte man Kritikern die Bedenken nehmen?

Ich habe selten von solchen Bedenken gehört. Es gibt immer mal wieder Menschen, die sich um die Hygiene sorgen, immerhin füllt das Wasser jeder auf eigene Verantwortung ab. Natürlich muss auch hier der gesunde Menschenverstand walten, sprich: Meine eigene Flasche und der Wasserhahn, aus dem ich das Wasser abfülle, müssen sauber sein. Flasche und Hahn sollten außerdem nicht in direkten Kontakt miteinander kommen.

Es gibt aber viele Menschen, die sich einfach nicht trauen, nach kostenlosem Leitungswasser zu fragen. Die Refill-Aufkleber sollen diese Hemmschwelle eliminieren. Irgendwann soll der Aufkleber überflüssig sein, sodass es selbstverständlich ist, auf Nachfrage überall Wasser zu erhalten. Aber vorher muss das Bewusstsein geschaffen werden, auch dafür, wie wertvoll unser Leitungswasser ist. Es ist eines der am besten kontrollierten Lebensmittel hier in Deutschland. Natürlich wäre es wünschenswert, dass die Leute nicht nur unterwegs, sondern auch zu Hause mehr Leitungswasser trinken.

Die EU-Kommission plant gerade eine neue Trinkwasser-Richtlinie, um das Vertrauen in Leitungswasser. Auch kostenlosen Leitungswasser in Restaurants soll damit gefördert werden. Was sagen Sie dazu?

Bei Refill geht es  nicht darum, als Gast im Restaurant freies Leitungswasser zu bekommen. Es ist nett, wenn der Wirt das macht, aber verlangen können wir das nicht. Wir begrüßen es, wenn Restaurantbetreiber Leitungswasser auf ihre Karte setzen, denn das schont Ressourcen. Aber das Wasser darf ruhig eine Service-Pauschale kosten, wenn ich mich dort hinsetze und Kaffee mit einem Liter Leitungswasser trinke.

Tipps & Tricks für weniger Plastikmüll im Alltag

Gemäß dem Vorsatz, weniger Plastikmüll zu produzieren: Auf welche Alternativen zu Plastikflaschen greifen Sie zurück, wenn Sie unterwegs sind?

Es gibt auch Edelstahlflaschen und Plastik, das laut den Herstellern keine gesundheitsgefährdenden Stoffe abgibt. Ich selbst nutze Glas und finde es gut, weil ich mich das Gewicht daran erinnert, mehr zu trinken. Wenn ich also merke, dass ich schwer zu Tragen habe, ist das für mich eine Erinnerung, dass ich noch nicht genug getrunken habe. 🙂

Verraten Sie uns noch weitere Tipps oder Tricks, mit denen sich der Plastikmüll im Alltag reduzieren lässt?

Ja, beispielsweise kann man beim Einkaufen einen Einkaufsbeutel mitnehmen und unverpackt einkaufen: In immer mehr Städten gibt es verpackungsfreie Supermärkte, in denen man mit eigenen Gläsern oder Beuteln die benötige Menge kaufen kann. Um Plastikverpackungen zu sparen, sollte man außerdem mehr Obst und Gemüse kaufen, weil man das auf dem Markt lose bekommt. Wer es wegen der Arbeitsumstände nicht auf den Markt schafft, für den gibt es Biokisten von den Höfen, die teilweise auch mit dem Vollsortiment bis vor die Haustür geliefert werden.

Martin Koch (c) RESORTIMartin Koch von RESORTI:
Weitere interessante Ansätze zur Wiederverwertung von Rohstoffen finden Sie im RESORTI Recycling-Ratgeber. Hier stellen wir Ihnen aktuelle Entwicklungen und spannende Projekte aus Deutschland und der ganzen Welt vor.

Zur Lagerung von Lebensmitteln würde ich Glas, Edelstahl oder Stoff empfehlen. Salat beispielsweise wickle ich in Stoff ein, so bleibt er im Kühlschrank eine Woche lang frisch. Mein Lieblings-Tipp ist allerdings das Einfrieren, denn man kann wunderbar in Glas einfrieren, wenn man es nur etwa zu drei Vierteln füllt. Brot lässt sich zum Beispiel in Stoff einfrieren.

Generell sollte man überlegen, wie Großeltern oder Urgroßeltern die Dinge angepackt haben. Diese ganzen Wegwerfprodukte wie Frischhaltefolie gab es ja damals noch nicht – man hat einfach eine Schüssel genommen und einen Teller draufgestellt. Erinnern wir uns also einfach, wie man es damals gemacht hat.

Planen Sie noch weitere spannende Projekte dieser Art, die wir kennenlernen sollten?

Mit Refill Deutschland bin ich voll ausgelastet. Ich blogge noch zum plastikfreien Leben, aber das leidet auch gerade schon ein wenig. Ansonsten plane ich keine weiteren Projekte.

Wir bedanken uns für das Gespräch und wünschen Ihnen mit Refill Deutschland auch weiterhin viel Erfolg – bis die Aufkleber hoffentlich irgendwann nicht mehr notwendig sind!

Refill-Station werden, finden und nutzen

Dank vieler ehrenamtlicher Organisatoren nehmen in Deutschland mit über 1200 Stationen schon viele Städte an Refill teil. Grundsätzlich kann jedes Geschäft als Refill-Station mitmachen, indem es sich einfach der nächstgelegenen Refill-Stadt anschließt oder selbst als Organisator eine Refill-Stadt gründet.

Eine Übersicht der teilnehmenden Städte zeigt die Webseite von Refill Deutschland oder die Refill-App. Engagierte Nutzer sind immer willkommen, fehlende Standorte in der App nachzutragen. Also Flasche eingepackt und los!

Weiterführende Informationen über Refill Deutschland