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DIY Stadtanleitung Wien – Stadtplanung und Bürgerpartizipation

Laut der Mercer-Studie ist Wien auch 2016 eine der europäischen Städte mit der höchsten Lebensqualität. Und dafür gibt es eine Reihe von Gründen. Neben dem großen historischen und kulturellen Erbe der Donau-Metropole dürfte hier auch das Projekt der Wiener DIY Stadtanleitung eine nicht unwesentliche Rolle gespielt haben.

“Stadt selber machen” lautet die Devise. Konkret geht es hierbei um das eigenständige Mitgestalten von Straßen, Parks und Plätzen – „das erweiterte Wohnzimmer der urbanen Gesellschaft“. Selbstverständlich sind die Bewohner Wiens dabei nicht ganz auf sich allein gestellt – die nötige Hilfe erhalten sie durch die “DIY Stadtanleitung”. Das RESORTI-Blog stellt Ihnen das spannende Projekt vor.

Das Projekt DIY Stadtanleitung im Portrait

Die “DIY Stadtanleitung” bietet den Bewohnern Wiens Unterstützung, sich aktiv in die Gestaltung der Stadt mit einzubringen und ihre eigenen Ideen umzusetzen. „Do it yourself“ – kurz DIY – bedeutet so viel wie “Mach es selbst”. Auf erprobtes Fachpersonal wird also verzichtet.

Die DIY Stadtanleitung - hilfreiche Tipps zur Stadtgestaltung

DIY Stadtanleitung: Hilfreiche Tipps und Hilfestellungen zur aktiven Stadtgestaltung

Die Stadtanleitung vereint nicht nur Inspiration und Anregungen, wie die Stadt verschönert werden kann, gleichzeitig gibt sie allen Interessierten konkrete Tipps und Anleitungen mit an die Hand. Zusätzlich bieten einige Beiträge Informationen zu den heutigen Herausforderungen einer “aktiven und motivierten Stadtgesellschaft”. Denn die Stadt wird schon lange nicht mehr ausschließlich von Planungsabteilungen und Verwaltungen gestaltet – seit mehreren Jahrzehnten nehmen die Bürger und Bürgerinnen Wiens aktiv daran teil.

DIY Stadtanleitung Wien: Wer steckt dahinter?

Konzipiert und realisiert wurde das Projekt durch die “Gebietsbetreuung Stadterneuerung” im 6., 14. und 15. Bezirk. Die sogenannten GB* gelten sind nicht nur lokale Experten für ihren jeweiligen Stadtteil, sie haben sich für viele Wiener und Wienerinnen als Anlaufstelle bei dem Thema Stadtgestaltung etabliert.

Sie bringen alle Beteiligten zusammen und bieten Hilfestellungen, wenn es darum geht, eigene Idee selbstständig auf den Weg zu bringen. Im Mittelpunkt stehen dabei Projekte, die einen positiven Beitrag zur Lebensqualität in Wien leisten.

Lebensqualität steigern – Sanfte Stadterneuerung für Österreichs Bundeshauptstadt

Bereits seit über 40 Jahren existiert das erfolgreiche Wiener Modell der “Sanften Stadterneuerung”. Das Ziel: Die gemeinsame Förderung der Wohn- und Lebensqualität der Stadtbevölkerung. Die hohe Lebensqualität der Stadt wurde zuletzt durch die “Mercer-Studie 2016” erneut bestätigt: Im direkten Vergleich von 230 internationalen Metropolen steht Wien zum siebten Mal in Folge ganz oben auf dem Treppchen.

DIY Stadtanleitung Wien

Beim „Garteln ums Eck“ können Baumscheiben und „Zwickelflächen“ bepflanzt und gepflegt werden.

Zu Beginn der 1970er Jahre sah die Situation allerdings noch deutlich schlechter aus: Rund 35 Prozent des Gesamtbestandes aller Wohnungen war in sehr schlechtem Zustand und machte eine grundlegende Erneuerung dieser Bereich unumgänglich. Diese Substandardwohnungen, die ohne WC/Wasser im Wohnungsverbund auskommen mussten, wurden bis heute auf circa 1 % reduziert.

Stadtplanung hat aber nicht nur etwas mit Wohnen, sondern auch dem urbanen Raum selbst zu tun. So verwies z.B. der US-amerikanische Soziologe und Städteplaner William Hollingsworth Whyte in seiner 1980 erschienen Studie The Social Life of Small Urban Spaces auf den positiven Effekt eines entsprechenden Angebots von Sitzmöglichkeiten auf öffentlichen Plätzen. Vor diesem Hintergrund gehört die Stadterneuerung in ihrer Gesamtheit zu den wichtigsten Aufgaben der Stadtverwaltung. Das Projekt DIY Stadtanleitung greift genau an dieser Stelle – sie ist Teil der Sanften Stadterneuerung:

“Die DIY Stadtanleitung setzt Impulse, indem sie Bewohner und Bewohnerinnen ermutigt, sich einzubringen und Initiative zu ergreifen. Und dieses individuelle Handeln prägt unsere Stadt, ihren Charakter und ihr Image. Egal ob ein kleines Bankerl vor der Haustür, ein Nachbarschaftsgarten oder ein Gassenfest für die Nachbarschaft – solche und ähnliche Projekte bringen verdeckte Qualitäten unserer Stadt zum Vorschein und entwickeln diese weiter.”

(Markus Steinbichler, GB* Experte und Initiator des Projekts)

Stadt selber machen – Wiener Leben mitgestalten

Die Zahl der Wiener und Wienerinnen, die ihr urbanes Umfeld in der Metropole mitgestalten wollen, nimmt stetig zu. Die DIY Stadtanleitung hilft ihnen dabei: Sie bietet zu den in der Anleitung vorgestellten Projekten konkrete Anhaltspunkte wie etwa erforderliche Behördengänge, benötigtes Vorwissen oder weitere hilfreiche Anlaufstellen.

Die GB* 6/14/15 erhält viele positive Rückmeldungen zur DIY Stadtanleitung – sowohl von den Wienern selbst als auch von vielzähligen Institutionen, da sie für ihre eigenen Zielgruppen eine Art Wegweiser durch die Behördengänge darstellt. “Die DIY Stadtanleitung wird vor allem als Anregung und tolle Ideensammlung bezeichnet. Unsere Erfahrung zeigt, dass viele Bewohner und Bewohnerinnen auch den Service-Aspekt nutzen und sich ermutigt fühlen, ihr eigenes Projekt zu entwickeln und umzusetzen”, erläutert Steinbichler.

DIY Stadtanleitung Wien: Projekt "Mauerkunst"

Die kreative Verschönerung von Hauswänden oder Feuermauern: Mauerkunst.

Da eine Vielzahl der Initiativen von Privatpersonen umgesetzt wird, ist eine genaue Auskunft über alle Projekte nicht möglich. Dennoch sind einige Kennzahlen bekannt: Allein im Juni 2016 wurden in dem kleinen 6. Bezirk innerhalb von drei Wochen sechs Straßenfeste organisiert. Darüber hinaus werden im Zuge der Aktion “Garteln ums Eck” inzwischen 5.025 Baumscheiben und “Mirkogrünflächen” von Bewohnern selbstständig betreut – wienweit.

  • Beim “Garteln ums Eck” können Baumscheiben, also der Erdbereich um einen Straßenbaum, oder aber kleine, öffentliche Grünflächen – auch “Zwickelflächen” genannt – bepflanzt und gepflegt werden. Somit kann einer Straße nicht nur ein deutlich bunteres Bild geben. Pflanzen leisten zusätzlich einen positiven Beitrag: Sie wandeln das existente Kohlendioxid in Sauerstoff um und gleichen durch die damit einhergehende Verdunstung über die Blätter sogar das Stadtklima aus.
  • Was vielen unter Graffiti bekannt ist, wird in der DIY Stadtanleitung Mauerkunst vorgestellt: Die kreative Verschönerung von freien Hauswänden oder “Feuermauern”, die durch Umbauarbeiten sichtbar wurden. Solange man sich an die Schritte in der DIY Stadtanleitung hält, bewegt man sich rechtlich selbstverständlich auf der sicheren Seiten. Diese Mauerkunst hübscht nicht nur die Stadt auf, zudem transportieren Künstler/innen oft politische oder soziale Botschaften in die Gesellschaft.
  • Mit einem selbstgebauten Vienna Para-Site – kurz VIPSI – kann an Mauervorsprüngen, Beeteinfassungsgittern oder ähnlichem eine temporäre Sitzmöglichkeit direkt auf der Straße geschaffen werden. Der mobile Sitz-Klapp-Hocker schafft als alternatives Stadtmobiliar gewissermaßen zusätzlichen Freiraum. Dank seiner Konstruktion ist er obendrein unkompliziert zu transportieren sowie platzsparend zu verstauen. Besonders praktisch: VIPSIs schaffen die Möglichkeit, die Mittagspause bequem an der frischen Luft zu genießen.
  • Martin Koch (c) RESORTIWenn Sie sich für das Thema Stadtentwicklung interessieren, dann schauen Sie sich die Themenseite dazu an. Dort haben wir Blogartikel rund um die Bereiche Stadtentwicklung und -gestaltung für Sie gesammelt. 

Lässt sich das Projekt auch auf andere Städte übertragen?

Markus Steinbichler ist sich sicher, dass auch andere Groß- oder Kleinstädte das Prinzip der DIY Stadtanleitung übernehmen und einen wichtigen Beitrag zur urbanen Gesellschaft leisten können. Um dies zu erreichen, müssen die Bewohner jedoch Unterstützung finden – etwa durch eine städtische Service-Einrichtung, wie die GB* in Wien.

“Anschließend kann allen rechtlichen und anderen Aspekten, wie Genehmigungen, Voraussetzungen und Vorgehensweise der Umsetzung, nachgegangen werden. Ist erst einmal eine Sammlung der wichtigsten Kontakte – zum Beispiel von Ämtern und Behörden – erstellt, hat man schon bald eine eigene Stadtanleitung beisammen.”

(Markus Steinbichler, GB* Experte und Initiator des Projekts)

DIY Stadtanleitung Wien

Die DIY Stadtanleitung aus Wien

Auch wenn die Stadtanleitung in dem Umfang in Deutschland noch nicht angekommen ist, sind auch hier vereinzelte Varianten bekannt: In einigen Städten, wie etwa Köln, können die Bewohner beim Urban Gardening aktiv werden. Da die Wartelisten je nach Stadtteil allerdings eher lang sind, kann es sich lohnen, eher einem Gemeinschaftsgarten beizutreten oder eine Patenschaft für eine Fläche zu übernehmen.

“Vor allem aus Deutschland erhalten wir regelmäßig positive Rückmeldung zur DIY Stadtanleitung, die offensichtlich viele inspiriert und motiviert. Es würde uns freuen, wenn auch andere Städte dieses Service-Angebot annehmen und anbieten würden. Getreu dem Motto: Am besten einfach selber machen! :)”

(Markus Steinbichler, GB* Experte und Initiator des Projekts)

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