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Innovative Müllsysteme: Pfandring-Erfinder Paul Ketz im Interview

Die Neueinführung der Hightech-Mülleimer, welche die Stadt Hamburg u.a. vor Kurzem aufstellen ließ, wurde heiß diskutiert. Die innovativen Müllsysteme zeichnen sich zum einen durch erhöhte Effizienz aus, da sie über eine eingebaute Presse verfügen und somit bedeutend mehr Müll aufnehmen können als herkömmliche Modelle. Gleichzeitig kommunizieren die Systeme „selbstständig“, wann eine Leerung vonnöten ist. Die Kehrseite: Die Hightech-Müllsysteme machen nun den Flaschensammlern das Leben schwer, da die Klappe der Mülleimer ein Hineingreifen nicht mehr zulässt. Eine Erfindung des Produktdesigners Paul Ketz ist die einfache Lösung zu diesem Problem: Der Pfandring. Mehr zu dieser Erfindung und dem Designer erfahren Sie in diesem Artikel.

Pfandring an grünem Mülleimer © 2013 Pfandring by Paul Ketz / Foto: Matthias Ketz.

© 2013 Pfandring by Paul Ketz / Foto: Matthias Ketz.

Dass das Thema Müll Menschen zur Inspiration anregen kann, zeigten wir bereits am Beispiel von Susanne Hausstein und Ihrem Promotionsprojekt Design aus Müll. Auch Produktdesigner Paul Ketz beschäftigte sich schon vor zwei Jahren mit einem müllbezogenen Phänomen – dem der Flaschensammler. Um die Situation für diese Gruppierung zu vereinfachen entwarf Ketz kurzerhand einen Pfandring, auf den leere Flaschen einfach aufgesteckt werden können. Egal, ob es sich um einen großen oder kleinen Abfallbehälter handelt – der Pfandring ist in der Herstellung flexibel und kann auf die Außenseite der unterschiedlichsten Mülleimertypen angebracht werden. Auf diese Weise wird ein Hineingreifen in den Mülleimer selbst überflüssig.

Städte und Kommunen müssen in der heutigen Zeit oftmals einen Sparkurs fahren und möglichst effizient arbeiten. Daraus resultieren Neuerungen wie das Hightech-Müllsystem. Auf der anderen Seite sollten sich die Städte aber auch ihrer sozialen Verantwortung bewusst sein. Der Pfandring ist ein Schritt in die richtige Richtung, den nach Bamberg, Köln und Karlsruhe hoffentlich noch viele weitere Städte mitgehen. (Daniel Bertmann, Resorti)

Um Ihnen das Konzept des Pfandrings von einer persönlichen Seite vorzustellen, hat Resorti den preisgekrönten Designer zu seiner Erfindung interviewt.

Interview mit Paul Ketz, Erfinder des Pfandrings

Guten Tag, Herr Ketz. Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für unsere Interviewfragen nehmen. Stellen Sie sich und Ihr Projekt der Pfandringe doch bitte kurz vor.

Ich bin Produktdesigner, lebe und arbeite in Köln. Ich beschäftige mich mit Formgebung und Problemlösung und sehe mich als Gestalter, als Anbieter von Lösungen die das Leben einfacher oder noch schöner machen.

Paul Ketz, Produktdesigner

Paul Ketz © Foto: Markus Diefenbacher

Der Pfandring ist ein Zusatz für öffentliche Mülleimer, dadurch können Passanten ihr Leergut guten Gewissens abstellen und Pfandsammler sind nicht mehr gezwungen in die Mülleimer zu greifen. Flaschen und Dosen bleiben im Recyclingkreislauf und werden nicht mehr verbrannt. Weniger Kosten, weniger CO2-Ausstoß durch weniger fälschlich verbrannte Wertstoffe. Geringerer Reinigungsaufwand für die Stadt. Der Pfandring ist ein Brückenstück, das pragmatisch auf reale Umstände eingeht und zudem Bewusstsein generiert.

Was hat Sie zu der Erfindung der Pfandringe inspiriert und was zeichnet Ihre Erfindung aus?

Grundlegender Bestandteil von Design, ist das genaue Beobachten und Verstehen der Umwelt für die man entwirft oder in die man mit seiner Gestaltung in irgendeiner Weise eingreift. Mir ist aufgefallen dass Leute aus Bequemlichkeit ihr Pfand im öffentlichen Raum wegwerfen und dass es leider immer mehr Leute gibt, die sich mit dem Sammeln von Pfand ein Zubrot verdienen müssen und dafür oft gezwungen sind, in die Mülleimer zu greifen. Ich wollte ein Zeichen für ein bewussteres Miteinander setzen und ein Brückenstück zwischen Pfandgeber und Pfandnehmer schaffen. Allein aus ökologischen und ökonomischen Gründen macht es Sinn die Mülleimer im öffentlichen Raum um diese Recyclingfunktion zu erweitern, damit die Flaschen und Dosen nicht in den Restmüll gelangen und dort verbrannt werden.

Seit wann sind die Pfandringe auf dem Markt?

Anfang 2012 habe ich das Projekt erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Bamberg hat im letzten Jahr als erste Stadt Pfandringe montiert.

Welche Beobachtungen/ Usability Studies haben Sie vor der Produktion der Pfandringe durchgeführt?

Ich habe in erster Linie dutzende Pfandsammler, aber auch Passanten befragt und vor allem viel beobachtet um mich vorzubereiten. Dann habe ich Skizzen gemacht, erste Modelle erstellt und im öffentlichen Raum getestet, bzw. von den Menschen selbst testen lassen.

Pfandring am Metallmülleimer © 2013 Pfandring by Paul Ketz / Foto: Markus Diefenbacher.

© 2013 Pfandring by Paul Ketz / Foto: Markus Diefenbacher.

Ist Ihre Erfindung für alle Arten/Formen von Mülleimern einsetzbar?

Ja, die Konstruktion lässt sich am Computer problemlos an jedes Mülleimermodell anpassen.

Wie viele deutsche Städte konnten Sie bereits mit Ihren Pfandringen ausstatten?

Bisher sind Pfandringe in Bamberg, Köln und Karlsruhe zu finden. Weitere Städte werden folgen, ich habe schon weitere Varianten konstruiert.

Welches Feedback haben Sie seitens der Flaschensammler für Ihre Erfindung erhalten?

Das Feedback der Sammler ist bisher ausnahmslos positiv.

Mittlerweile lassen Sie Ihr Produkt in einer Sozialwerkstatt in Köln anfertigen. Erzählen Sie uns mehr darüber.

Der Verein Jack in the Box e.V. stellt mir seine Werkstatträumlichkeiten für größere Projekte und den Bau der Pfandringe zur Verfügung. Ich bin seit einigen Jahren ein Freund des Hauses und biege und schweiße dort mit Assistenten die Pfandringe. Ich hoffe in Zukunft den Verein damit auch finanziell etwas unterstützen zu können.

Pfandring Nahaufnahme (c) 2013 Pfandring by Paul Ketz, Foto by Markus Diefenbacher.

© 2013 Pfandring by Paul Ketz / Foto: Markus Diefenbacher.

Wo sehen Sie sich und Ihr Produkt in 5 Jahren, auch, wenn Sie das Thema Entwicklung der Städte betrachten?

Der öffentliche Raum ist der erweiterte Wohnraum von uns allen, daher sollte man mit Fingerspitzengefühl und gerne auch mit etwas mehr Mut und Pioniergeist versuchen, alle Interessengruppen möglichst mit einzubeziehen. Pfandringe machen an belebten Plätzen, Partymeilen und Fußgängerzonen in allen Städten in denen es Pfand gibt Sinn. Ich hoffe, dass einige Städte die Pfandringe anbringen und vor allem, dass allen Menschen die Thematik und Problematik ins Bewusstsein gerückt wird und zu einem bewussteren, offenen, freundschaftlicheren Miteinander beiträgt. Bewusstsein ist der erste Schritt zu größerer positiver gesellschaftlicher Entwicklung.

Haben Sie weitere Ideen für intelligentes Mobiliar im öffentlichen Raum?

Mit YiHao Tsai, einem befreundeten taiwanesischen Designer, habe ich für Taipeh ein Konzept entwickelt, das sich vor allem auf den Privatbereich aber auch auf den öffentlichen Raum auswirkt. (Dazu für Sie zum Hintergrund: Es gibt in der Region sehr viele Singlehaushalte, viele Menschen halten Haustiere, viele als Kinder- oder Partnerersatz. Außerdem sind vor den meisten Wohnungsfenstern Sicherheitskäfige angebracht, die nicht nur schützend, sondern auch gefängnisartig wirken. Wir haben Module entwickelt mit denen der ungenutzte Raum zu Tierspielplätzen transformiert werden kann. Es gibt außerdem die Möglichkeit die Spielplätze, und damit auch die Tierliebhaber miteinander zu verbinden und dadurch dazu beizutragen, das Eis der großstädtischen Anonymität dort zu brechen.)
Mein jüngstes Projekt Prometheus ist ein erlebnispädagogisches, collagiertes Kunstobjekt. Eine mit Muskelkraft und Feuer betriebene Maschine, die aus Plastikmüll Actionfiguren herstellen kann. Das eigenständige Schaffen von Werten in einem Transformationsprozess erlebbar gemacht.
Wer glaubt die Welt oder seine Umwelt nicht positiv verändern zu können, der unterschätzt sich.

Sie haben an der Ecosign in Köln studiert – eine Hochschule für nachhaltiges Design. Welche Merkmale sollten nachhaltige Müllsysteme Ihrer Meinung nach auszeichnen?

Müllsysteme sind nicht nachhaltig, ich behaupte, dass es generell keine nachhaltigen Produkte gibt, sondern nur nachhaltige Lebensstile.
Aber es macht natürlich Sinn, wenn Müll getrennt wird und Wertstoff mit Pfandwert nicht damit vermischt wird und vor allem, dass Müll möglichst vermieden wird, da er nach dem Wegwerfen nicht im Jenseits zu Luft und Liebe verpufft.

Pfandring Kulisse (c) Pfandring by Paul Ketz Fotos_Markus Diefenbacher

© 2013 Pfandring by Paul Ketz / Fotos: Markus Diefenbacher

Eine kleine Anekdote: In Taiwan spielen die Müllautos eine Melodie ab (übrigens „Für Elise“). Wissen Sie warum? Das ist das Signal für die Hausbewohner, dass sie zur Straße kommen, um ihren Hausmüll selbst in die Fahrzeuge zu werfen. Dadurch haben die Menschen schon mal einen ganz anderen Bezug zu ihrem Müll und ein anderes Verantwortungsbewusstsein: Auf der Straße liegt praktisch kein Müll herum und das, obwohl man selten auf öffentliche Mülleimer trifft.

Das ist kein Plädoyer dafür, dieses System auch in Deutschland einzuführen, aber es regt zum Denken an. Es gibt so viele Möglichkeiten und Wege.

Welche anderen Erfindungen stammen aus Ihrer Denkfabrik?

Frop ist ein Nussknacker, der nicht mit Druck, sondern mit Zug- und Beschleunigungskraft funktioniert, außerdem ist er flach wie eine CD.

Mogli ist ein voyeuristisches Garderobenmöbel, wie ich es nenne. Statt Türen und Wänden bilden Weidenzweige eine natürliche Barriere. Durch das entdeckerische Beiseiteschieben der Zweige gelangt man an den Inhalt.

Chaos&Kosmos ist ein Sitzmöbel, der nur aus Kleidungstücken besteht, die chaotisch auf einen Stuhl geworfen und mittels Epoxidharz haltbar gemacht wurden. Der Stuhl wurde entfernt und aus dem einstigen Klamottenchaos entsteht der neue Stuhl aus den ausgehärteten Textilien.

Auf meiner Webseite paulketz.de sind diese und mehr Projekte zu finden samt Fotos und Videos, die mehr sagen als meine bloßen Worte.

Welche Ziele, Projekte oder Pläne haben Sie für das Jahr 2014?

Ich habe noch eine Menge Ideen und Experimente im Kopf, die ich umsetzen und ausprobieren will. Außerdem werde ich Workshops betreuen, eine Zeit lang in Istanbul arbeiten und hoffentlich weiter interessante Menschen treffen und Kontakte knüpfen. Im Frühjahr dieses Jahres habe ich mein Studium abgeschlossen und würde gerne in mittelfristiger Zukunft ein kleines Studio gründen.
Wer weiß, was sich noch alles ergibt, ich bin jedenfalls offen für Vieles und wünsche mir, dass alles gut wird, egal wie es wird.

Wir danken Ihnen ganz herzlich für das Interview, Paul Ketz.

Weitere Informationen zum Pfandring, dessen Erfinder Paul Ketz und den Hightech-Mülleimern:

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