Niemand würde auf die Idee kommen, einwandfreie Lebensmittel in den Müll zu werfen, oder? Die Realität sieht anders aus, denn jährlich wandern tonnenweise Lebensmittel, die noch lange nicht schlecht sind, in den Abfall. Der Kölner Laden „The Good Food“ gibt krummen Karotten, abgelaufener Marmelade oder windschiefen Zucchinis eine zweite Chance.
Die Gründer beweisen: Abgelaufene und aussortierte Lebensmittel müssen nicht zwangsweise im Müll landen! RESORTI stellt Ihnen heute das zukunftsweisende Konzept des ersten Reste-Supermarkts Deutschlands vor:
Inhaltsverzeichnis
Supermarkt für abgelaufene Lebensmittel – The Good Food
Von Oktober bis Dezember startete das Kölner Start-Up 2016 als Pop-Up Store in eine Testphase. Die Idee, Lebensmittel zu verkaufen, denen der Weg in die Tonne droht, wurde erstaunlich positiv aufgenommen: Die Nachfrage war so groß, dass Gründerin Nicole Klaski mittlerweile einen festen Laden im hippen Stadtteil Köln-Ehrenfeld gefunden hat.
Aussortiertes Obst und Gemüse bezieht das mittlerweile 11-köpfige Team von lokalen Bauern. Darüber hinaus kooperiert The Good Food direkt mit den Herstellern, deren Produkte kurz nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums (MHD) nicht mehr verkauft werden können.
Die Philosophie von The Good Food – „Zahl’, was es dir wert ist“
Das Ziel der Gründer von The Good Food ist eine Sensibilisierung für Lebensmittelverschwendung, ohne dabei mit erhobenen Zeigefinger zu appellieren. Mit dem „Pay as you feel“-Prinzip kann jeder Kunde selber bestimmen, was er für die ausgemusterten Lebensmittel bezahlen möchte. Damit wird ein neues Bewusstsein für den Wert von Nahrungsmitteln geschaffen.
Doch was passiert mit Gemüse, das selbst hier nicht gekauft wird? Bei The Good Food landet nichts in der Tonne und alle Reste, die liegen bleiben, werden nach einiger Zeit eingekocht.
Interview mit The Good Food-Gründerin Nicole Klaski
RESORTI hatte die Möglichkeit, der Geschäftsführerin Nicole Klaski einige Fragen zu ihrem Kölner Laden und dem besonderen Konzept zu stellen:
Liebe Nicole, euer Kölner Ladenlokal öffnete im Februar 2017 seine Tore. Gab es einen bestimmten Auslöser, durch den ihr auf die Idee zu „The Good Food“ gekommen seid?
Da gibt es tatsächlich zwei Dinge, die besonderen Eindruck hinterlassen haben: Zum einen sind mir die Bilder des Dokumentarfilms „Taste The Waste“ von Valentin Thurn nachhaltig im Kopf geblieben. Der Film thematisiert den Umgang der Industriegesellschaft mit Nahrungsmitteln und zeigt uns erschreckend ungeschönt das globale Ausmaß von Lebensmittelverschwendung.
Ein anderer wichtiger Auslöser war meine Zeit in Nepal, in der ich mit Ressourcenknappheit, von beispielsweise Licht und Wasser, konfrontiert wurde. Supermärkte sind in Nepal zurzeit noch in der Aufbauphase und meist sind Straßenmärkte mit Produkten aus heimischen Anbau die einzige Quelle der örtlichen Versorgung mit Nahrung. Diese Eindrücke haben mich etwas zurück auf den Boden der Tatsachen gebracht – besonders als ich dann wieder in Köln ankam.
Bietet ihr in eurem Laden ausschließlich aussortierte Bio-Lebensmittel an?
Eigentlich war es nie unser Ziel, nur Bio-Produkte anzubieten, allerdings entwickelte es sich schnell, dass besonders Hersteller von Bio-Produkten zu unseren Kooperationspartnern wurden. Wir haben festgestellt, dass besonders kleine Unternehmen unsere Philosophie der Nachhaltigkeit teilen. Das wichtigste Thema bleibt allerdings Lebensmittelverschwendung, daher selektieren wir nicht nach Bio-Qualität.
Was passiert mit Backwaren, die selbst am Tag danach nicht mehr verkauft wurden?
Wir beziehen unsere Backwaren von mittlerweile zwei Stammbäckern, unter anderem der Bäckerei Wiens in Nippes sowie neuerdings von einem großen Hotel. Tatsächlich sind Reste eine absolute Seltenheit. Vielmehr hatten wir zu Beginn unseres Ladens das „Problem“, dass wir regelrecht ausgeplündert wurden. Da mussten wir nach der vielen positiven Resonanz erst noch herausfinden, wieviel wir im Laden benötigen.
Falls doch mal einige Brötchen übrig bleiben sollten, haben wir auch schon Paniermehl gemacht und dies in Gläsern angeboten. Im Falle von Resten gibt es ja zum Glück auch foodsharing-Verteiler gegenüber unseres Ladens oder wir Verschenken am Ende.
Gibt es auch bestimmte Lebensmittel, die ihr nicht in eurem Laden anbieten könnt?
Generell gilt: Alles mit Verbrauchsdatum, wie Fleisch oder Fisch, können wir nicht anbieten. Ebenso stellt sich Eis als eine Schwierigkeit dar, da wir über keine Kühltruhe verfügen. Falls doch mal etwas gekühlt werden muss, verfügen wir über einen Kühlschrank, in dem wir zum Beispiel heute eine Ladung Senf untergebracht haben. Da wir bislang leider nicht über reine Kühlmöglichkeit im Auto verfügen, sind Kühlprodukte oft noch eine kleine Herausforderung.
Sind weitere Läden in Köln geplant? Oder sogar in anderen Städten Deutschlands?
Generell ist das natürlich vorstellbar für uns, allerdings hat dies noch etwas Zeit. Nach unserer Eröffnung im Februar 2017, nach einer längeren Testphase auf Wochenmärkten und zur zwischenmiete in verschiedenen Läden in Köln, sind wir nun erstmal glücklich, unseren Laden in Ehrenfeld zu haben. Aber natürlich wollen wir mehr Läden nicht ausschließen und freuen uns, wenn unser Konzept auch an vielen weiteren Orten angenommen wird.
Wir bedanken uns sehr für das Gespräch und wünschen weiterhin viel Erfolg mit The Good Food!
Wenn Sie mehr zum Thema Stadtentwicklung erfahren möchten, schauen Sie sich unsere Übersichtsseite dazu an!
Supermärkte für abgelaufene Lebensmittel – Eine Idee mit Zukunft
Das Thema „Nachhaltigkeit“ ist in aller Munde: Im Jahr 2016 war The Good Food für den Bundespreis „Zu gut für die Tonne“ nominiert. Der Preis zeichnet Engagement gegen Lebensmittelverschwendung aus. Die ebenso nachhaltige Initiative „foodsharing“, vorgestellt in unseren RESORTI Branchennews #7, gewann den Bundespreis in der Kategorie Gesellschaft und Bildung. The Good Food erreichte im selben Jahr den zweiten Platz des Umweltschutzpreises der Stadt Köln.
Das gleiche Konzept ist seit Januar auch im Norden Englands eröffnet. Im „Sharehouse“ in Leeds befinden sich ausschließlich abgelaufene Lebensmittel in den schlichten Regalen der Lagerhalle. Von palettenweise Milch bis zu Kisten voll Brokkoli – im Sharehouse findet alles einen Platz. Auf ihrer Facebook-Seite veröffentlichen die Gründer täglich Angebote, die gerade neu angekommen sind. Genau wie im Kölner Laden gilt auch hier das Prinzip: „Pay as you feel“.
Lebensmittelverschwendung in Deutschland
Doch warum werden so viele Lebensmittel jährlich weggeworfen? Die Faktoren sind laut einer Studie der Universität Stuttgart vielfältig und werden zum einen von der Lebensmittelindustrie und dem Handel beeinflusst. Beispiele für Lebensmittelverschwendung im großen Rahmen sind zum Beispiel:
- Überproduktion & Überangebot
- Fehlplanung
- Ungleichmäßige Nachfrage
- Strenge Handelsnormen
- Beschädigung beim Transport mit folgender Fäulnis
Zum anderen sind Privathaushalte für zwei Drittel der gesamten Abfallmenge verantwortlich. Mögliche Gründe, warum Lebensmittel in großen Mengen entsorgt werden sind laut Untersuchungen der Universität Stuttgart:
- falsche Lagerbedingungen
- angelnder Überblick über Vorräte
- Einstellungsgründe (Frische, Optik, erwünschte Auswahl usw.)
- Fehleinschätzung von Lebensmitteln aufgrund des MHD
Schon durch kleine Änderungen in der Organisation und im Bewusstsein für Lebensmittel, kann der Grundstein für eine geringere Lebensmittelverschwendung gelegt werden.
Weitere Informationen zum Supermarkt für abgelaufene Lebensmittel und Lebensmittelverschwendung
- Die offizielle Homepage von The Good Food (deutsch)
- Die Facebook Seite von The Good Food (deutsch)
- PDF zur Studie der Uni Stuttgart zur Ermittlung der weggeworfenen Lebensmittelmengen in Deutschland (deutsch)
- Too Good To Go ist eine App, die mit Gastronomen kooperiert, um Lebensmittelverschwendung vorzubeugen (deutsch)
- Der Berliner Verein RESTLOS GLÜCKLICH e.V. serviert im gleichnamigen Restaurant Speisen aus überschüssigen Lebensmitteln (deutsch)