Die High Line in New York – Parks in den Großstädten der Welt #1

New York – die Stadt, die niemals schläft, der Big Apple. Ort der Superlative: Wolkenkratzer, Einwohnerzahl, Verkehr, Fläche etc. – alles ist eine Nummer größer. Dementsprechend groß sind auch die städteplanerischen und umwelttechnischen Herausforderungen, vor denen die Metropole zwischen Hudson und East River steht. Wie man sich diesen stellt, zeigt das Beispiel der New Yorker High Line am westlichen Rand von Manhattan.

Wenn auf der Halbinsel Manhattan neue Strukturen im urbanen Raum entstehen, müssen in der Regel alte Bestände weichen. Kurzum, sie werden platt gemacht und nicht wenige New Yorker befürchten, dass vieles vom ursprünglichen Stadtbild auf diese Weise verloren geht. Wie es auch anders geht, zeigt das Projekt des New Yorker High Line Parks. Hier wurde in langjähriger Arbeit eine stillgelegte Hochbahntrasse für Gütertransporte in eine blühende Parklandschaft verwandelt.

Insofern kann man hier mit einigem Recht auch vom Recycling des Stadtraums sprechen. Begleiten Sie das RESORTI-Blog also in die Vereinigten Staaten. Zum Auftakt unserer losen Serie über Parks in den Großstädten der Welt werfen wir heute einen Blick auf die High Line.

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Treppenkonstruktion – Aufgang zur High Line Höhe 28th Street.

Wie baut man eine Hochbahntrasse in einen Park um? Die Gestaltung der High Line

Die „Friends Of The High Line“ ist eine ehrenamtliche Organisation, die sich 1999 gründete um die stillgelegte Hochbahntrasse im Westen Manhattans vor dem Abriss zu bewahren. Stattdessen wollten sie aus ihr etwas Neues schaffen; einen Mehrwert für Stadt, Anwohner, Umwelt und Besucher. Kurzum, eine blühende und nachhaltige Parkanlage.

Dieses ehrgeizige Projekt barg allerdings einige Herausforderungen für Konstrukteure, Architekten und Designer. Das lag nur zum Teil an der außergewöhnlichen Lage, immerhin gut 9 Meter über dem Erdboden, sondern viel mehr an der Frage, wie man einen Ort schaffen könnte, der sowohl den modernen Anforderungen an Umweltschutz und Technik gerecht wird, als auch den industriellen Charakter der Hochbahntrasse wiederspiegelt.

Vor diesem Hintergrund setzten sich die Macher des Projektes folgende Ziele:

  • Schaffung einer Parkumgebung, die genauso interessant und ungewöhnlich ist, wie die High Line selbst
  • Die Pflanzen, die sich in der Zeit seit der Stilllegung der Hochbahnlinie auf der Trasse angesiedelt hatten, zu bewahren und die Bio-Diversität dieses unwahrscheinlichen Lebensraumes für Flora und Fauna sogar noch auszuweiten, statt zu zerstören
  • Einen nachhaltigen Park zu schaffen, der großen Wert auf Natur und Umweltschutz legt

Um sicherzugehen, dass diese Vorgaben erfüllt würden, setzten die „Friends Of The High Line“ einen klaren Leitfaden für den nachfolgenden Architekturwettbewerb: „Keep it simple, keep it wild, keep it quiet, keep it slow“. Die Designer James Corner Field Operations und Diller Scofidio + Renfro gewannen 2004 den Wettstreit um den Auftrag zur Gestaltung dieses einmaligen Parkprojektes. Ihr Lösungsansatz: Agri-Tecture.

Gemeint ist damit eine sowohl wörtliche, als auch reale Verschmelzung von Agriculture (dt. Landwirtschaft) und Architecture (dt. Architektur). Klingt gut! Aber RESORTI interessiert sich natürlich für die konkrete Realisierung dieses Design-Vorhabens. So wurde mithilfe von Agri-Tecture aus einer verrostenden Hochbahntrasse eine nachhaltige Parkanlage:

  1. Die Grundstruktur der ursprünglichen Hochbahntrasse blieb fast unverändert. Das heißt, die alten Schienen sind immer noch erkennbar und die heimischen Pflanzen, die sich auf der Trasse ansiedelten, blieben erhalten und wurden in eine besucherfreundliche Gestaltung eingebunden. Betonplanken für die Fußwege wurden so gewählt, dass sie durch extra breite Rillen und spezielle Nähte, Wasserdurchfluss ermöglichen. Pflanzen wie Gräser, Blumen oder sogar Bäume können und sollen zwischen den Ritzen der Bodenplanken hindurch wachsen und somit eine Verbindung von Natur und Bausubstanz schaffen. Derzeit sind über 350 verschiedene Pflanzenarten auf der High Line zu finden.
  2. Mit dem Eindruck einer wilden, gewachsenen Natur soll ein Kontrast zu Gärten und Parkanlagen gesetzt werden. Durch die Ansiedlung einheimischer Pflanzen, die ohne viel Pflege gedeihen und sich vermehren, soll der Park im Laufe der Zeit noch wilder und natürlicher aussehen. Die (kontrollierte) Ausbreitung der Pflanzen ist gewünscht. Diese Symbiose von „harten“ Materialien und „weicher“ Natur zieht sich durch den gesamten Park und erzählt auf eine ganz besondere Art die Geschichte der High Line.
  3. Außenmobiliar spielt eine wichtige Rolle bei Gestaltung und Wirkung der High Line: Es gibt eine Vielzahl verschiedener Bankkonstruktionen, die mit der Umgebung verschmelzen. So sind im Bereich der 10th Avenue zahlreiche Bänke angelegt worden, die aussehen wie eine Bodenwelle. Sie bestehen aus demselben Material und erheben sich jeweils von einer Seite ausgehend schräg aus dem Boden bis zu einer angenehmen Sitzhöhe. Eine weiterer Banktyp erinnert an die ursprüngliche Funktion der Hochbahntrasse: Auf einer Schienenkonstruktion wurden Parkbänke gebaut, die sich sogar hin- und her bewegen lassen. Außerdem laden die Sitzmöglichkeiten im Park mit breiten Sitzflächen und nach hinten geneigten Lehnen dazu ein, sich zurückzulehnen und den Ausblick zu genießen. „Einfach mal Abschalten“, suggeriert einem die Architektur des High Line Parks und ist damit ein wunderbares Beispiel für den Mehrwert, der durch geschickt platziertes Stadtmobiliar geschaffen werden kann.
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Parkbänke aus Holz und Metall auf der High Line New York im Winter

Recycling und ökologische Nachhaltigkeit auf der High Line

Neben den funktionalen und architektonischen Aspekten bei der Gestaltung ihres Parks, sollte die High Line auch in Sachen Natur- und Umweltschutz ein Pilotprojekt sein. Ein Grund für die Machbarkeit des Projektes unter dieser Prämisse liegt sicherlich auch in der immer grüneren Ausrichtung der Stadt New York begründet.

Spätestens seit der damalige Bürgermeister Bloomberg 2007 den „PlaNYC“ vorgestellt hat, der über 127 neue Vorschriften zur Verbesserung von New Yorks Umweltbewusstsein beinhaltete, ist man in der Stadt, die niemals schläft, sehr bemüht darum, eine Vorreiterrolle in Sachen ökologischer Nachhaltigkeit einzunehmen.

Neben dem Versprechen bis 2030 die Menge von 1 Million neuer Bäume innerhalb der Stadtgrenzen des Big Apple zu pflanzen, ging es bei dem Vorhaben unter anderem auch darum, das Müllentsorgungssystem der Stadt zu revolutionieren. Und das ist bei 11 Millionen Kilogramm produziertem Müll pro Tag auch dringend nötig. Der Fortschrittsreport von 2014 ist inzwischen veröffentlicht worden und zeigt: In New York hat wahrhaftig ein Umdenken stattgefunden! Die Stadt verzeichnet die sauberste Luft seit 50 Jahren und unglaubliche 950.000 neue Bäume sind bereits gepflanzt worden.

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Mülltrennung mit entsprechenden Abfallbehältern auf der High Line in New York.

Insofern ist auch der High Line Park ein Paradebeispiel für das neu entstandene Umweltbewusstsein der New Yorker. Im Detail:

  1. Kompostieren: In Sachen Abfallentsorgung nimmt die High Line eine Sonderstellung innerhalb der fünf Stadtbezirke New Yorks ein. Ein normaler Anblick in der Metropole sind nämlich wahre Berge von Müllsäcken, die allmorgendlich von der städtischen Müllabfuhr eingesammelt und abtransportiert werden müssen. Darunter befindet sich naturgemäß auch eine gehörige Menge „Biomüll“. Aufwand und negative Auswirkungen auf die Umwelt sind hoch. Nicht so im High Line Park: Organischer Abfall wird direkt vor Ort kompostiert. Die Betreiber sehen ihn auch nicht als Müll, sondern als „schwarzes Gold“. Und sie verwerten neben abgestorbenen Pflanzenteilen auch Essens- oder Kaffeereste aus den anliegenden Restaurants und Cafés. Vorbildlich! Durch die Kompostierung vor Ort werden Nährstoffe direkt wieder dem Boden des Parks zugeführt, New Yorks Mülldeponien werden entlastet und es entsteht keine zusätzliche Belastung durch Transporter-Abgase. Das ist vor allem vor dem Hintergrund interessant, dass ein weiterer Hauptpunkt von New Yorks „grünem Plan“ die Reduktion des CO2-Ausstoßes ist.
  2. Recycling: Ein weiteres großes Thema ist das Recycling. Im übertragenen Sinne ist der Park als Ganzes bereits ein riesiges und vorbildliches Recycling-Projekt. Aber auch im Kleinen achten die Betreiber auf den verantwortungsvollen Umgang mit Müll und anderen Abfallprodukten. Über die gesamte Strecke des Park verteilt findet man Mülleimerstationen und Abfallbehälter, die zur sorgfältigen Mülltrennung nach Papier, Restmüll, sowie Flaschen und Dosen aufrufen. In vielen deutschen Parks ist das leider noch reine Zukunftsmusik. Stattdessen findet man hier zulande oft einen einsamen Mülleimer, der, meist noch völlig überfüllt, in der Gegend herumsteht, und in den wahllos alles hineingestopft wird. Vom Einweg-Grill bis zur leeren Pommestüte. Nicht gerade umweltbewusst!
  3. Rauchen verboten: Wie in allen innerstädtischen Parkanlagen in New York City gilt auch im High Line Park ein absolutes Rauchverbot. Und das hat durchaus einen Sinn: Achtlos weggeschnippte Zigarettenkippen sehen nicht nur unschön aus. Eine  einzige Kippe kann durch den enthaltenen Toxin-Cocktail das Wachstum von Pflanzen negativ beeinflussen oder sie sogar abtöten. Das wäre eine Katastrophe für einen Park, der so viel Wert auf seine blühende Flora legt. Zigarettenstummel  und Aschenbecher wird man auf der ehemaligen Hochbahntrasse also vergeblich suchen, außer vielleicht irgendwann einmal als stylische Parkbank. Wie das funktioniert haben wir Ihnen im Blogbeitrag Wie aus Zigarettenstummeln Parkbänke werden bereits vorgestellt.
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Abfallbehälter zur Mülltrennung auf der High Line in New York

Fazit: Der New Yorker High Line Park als Vorbild

Inzwischen ist die Verwandlung der Trasse abgeschlossen. Die entstandene Parkanlage trägt wesentlich zu dem Gesamtprojekt: New York im 21. Jahrhundert bei. Bürgermeister Bloomberg formulierte es damals so: „New York soll die erste ökologisch nachhaltige Stadt des 21. Jahrhunderts werden.“ Das Konzept der Nachhaltigkeit und Ökologie ist im High Line Park jedenfalls vorbildlich umgesetzt worden.

Und es funktioniert: So wurde der Park bereits kurz nach Eröffnung des ersten Teilstücks im Jahr 2009 zum „Life Enhancer of The Year“ (Lebensverbesserer des Jahres) ernannt. Seit im Jahr 2014 der dritte und letzte Parkabschnitt eröffnet wurde, ist die Anlage beliebt wie nie. Circa 5 Millionen Besucher kommen pro Jahr!

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Die High Line in New York an einem sehr kalten Wintertag

Und es bilden sich europäische Nachahmer: Der High Line Park war beispielsweise Vorbild für die „Garden Bridge Over The Thames“, einem Projekt, das derzeit in London umgesetzt wird. Und auch in Deutschland findet die Idee Anklang. Am ehemaligen Bahnhof Olympiastadion in München soll eine Parkschleuse entstehen, die das Radwegenetz ausweitet und Flora und Fauna optimal schützt und in Szene setzt. RESORTI ist von dieser innovativen und kreativen Stadtraumgestaltung begeistert und gespannt, was sich in den nächsten Jahren in Sachen Recycling von Lebensräumen in New York und Deutschland noch verändern wird.

Wie und Wo Sie den High Line Park finden

Wer sich selbst von der Wirkung der High Line überzeugen möchte, muss sich in den New Yorker Meatpacking District begeben. Dort, um genau zu sein in der Gansevoort Street, beginnt die Trasse und erstreckt sich bis zur 30th Street.

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Über insgesamt neun Eingänge kann man die High Line erreichen. Vier von ihnen sind mit einem Aufzug ausgestattet und somit auch für Rollstuhlfahrer kein Hindernis:

  • Gansevoort Street
  • 14th Street (Fahrstuhl)
  • West 16th Street (Fahrstuhl)
  • West 18th Street
  • West 20th Street
  • 23rd Street (Fahrstuhl)
  • West 26th Street
  • West 28th Street
  • West 30th Street (Fahrstuhl)

Bezahlen muss man für dieses Erlebnis nichts. Der Eintritt ist, ganz im Sinne von Entspannung und Erholung, frei. An sieben Tagen die Woche, immer von 07:00 Uhr bis 23:00 Uhr ist der Park geöffnet und lädt Sie ein, sein besonderes Flair zu bestaunen.

Weitere Informationen zum High Line Park